Sonntag, 05. September / Nachmittag / kühl, der Regen endet und der Himmel klart auf |
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Theaterpause.
In einen dunkelblauen Anzug, mit Krawatte, gekleidet steht der dunkelhaarige Mann vor dem Theatergebäude. Vereinzelt wird er von Damen und Herren angesprochen. Ruhig beantwortet er die Fragen der Männer. Dabei zündet er sich eine Zigarette an. Nickt leicht zu Worten die gesagt werden. Hier und da fallen ihm ungewöhnliche Gerüche auf. Nicht alles sind Menschen. An kleinen Gesten und Bewegungen fällt es ihm auf. Doch irgendein Wort in die Richtung kommt nicht von ihm.
Genug von den Männern habend wendet er sich andeutungsweise nickend ab und geht etwas abseits zu einer Bank um sich dorthin zu setzen. Potenzielle Kunden sind schön und gut. Sind notwendig. Bringen viel Geld ein. Trotzdem will er seine Zigarette in Ruhe und alleine rauchen.
Während er über den folgenden Tag nachdenkt zieht er den Rauch des Glimmstängels tief in seine Lungen, hält ihn dort und entlässt ihn langsam. Morgen kommt eine neue Fuhre Tiere. Ob was interessantes für ihn dabei ist wird sich zeigen.
Hinter der Bank, nur einige Meter entfernt, lehnt ein offenbar braunäugiger Mann mit einer karierten Schiebermütze an der Wand des Theaters. Auch er zieht an etwas, das wie eine Zigarette aussieht, doch wenn jemand nah genug an ihm dran stehen würde, könnte er riechen, dass das kein gewöhnlicher Tabak ist, der hier verbrannt wird. Jemand, der nah genug stünde, würde außerdem bemerken, wie wenig der Fremde in das Bild passt. Zum einen ist er offensichtlich viel zu jung für die Art von Kopfbedeckung die er trägt, er scheint grade mal volljährig zu sein, vielleicht auch etwas älter.
Zum zweiten passt seine Gesichtsfarbe nicht zum diesigen, regnerischen Wetter der letzten Tage. Anstatt blass zu sein wie die meisten Berliner zu dieser Jahreszeit, ist seine Haut gebräunt, als hätte er in einem südlichen Land Urlaub gemacht. Und drittens passen seine Klamotten so überhaupt nicht in die Masse aus vornehm gekleideten Menschen, die sich hier vor dem Theater versammelt hat: Anstelle von Anzug und Krawatte trägt er ein altes, blassblaues T-Shirt, einen zerknitterten olivfarbenen Parka, der sich farblich fürchterlich mit dem Shirt beißt und eine hellbraune Bermuda-Shorts. Das seltsamste an ihm ist, dass er barfuß geht. Mit nackten Füßen nähert er sich der Bank von hinten um sich neben den Mann im blauen Anzug zu setzen. Gelassen zieht er dabei ein weiteres Mal an seiner Tüte.
Entspannt lehnt sein Rücken sich gegen die Banklehne. Für einen Augenblick wandern die dunklen Augen über die Menge der Menschen- Alle stehen sie in Gruppen zusammen, unterhalten sich, lachen und verbreiten den neussten Klatsch. Amüsiert hebt er die Mundwinkel. Zwischen dem ganzen Haufen hat er einen seiner besten Kunden entdeckt. Der sieht gerade zu fassungslos aus bei Mikes Anblick. Hat ihn hier wohl nicht erwartet.
Genau erkennt er die Gesten: Das leichte Lockern der Krawatte, das Zittern der dicken Zigarre in den fleischigen Händen, das Abwischen der Stirn mit einem Taschentuch. Ja. Da fühlt sich jemand sichtlich unwohl.
Ruhig nickt Mike dem Geschäftsmann zu. Erschrocken wendet der sich ganz ab und beginnt sich mit seiner Frau zu unterhalten. Einer schmalen, langweiligen, arroganten Ziege. Dick behangen mit Geschmeide. Wild gestikuliert sie und ihr Mann nickt als Zustimmung. Sagt nichts dagegen.
°Erbärmlich... Einfach nur erbärmlich.°
"Was machst du hier?"
Auch wenn Mike sich kein einziges Mal rumdreht gibt es Dinge die ihm nicht entgehen können. Der scharfe Geruch des angeblichen Tabaks der bis zu einer gewissen Entfernung wahrzunehmen ist. Das Geräuch der nackten Füße auf dem kühlen Boden. Und was noch mehr auffällt: Die Blicke der Menschen in seine Richtung. Ihn kennen sie, daran kann es nicht liegen. Aber jemand der so aussieht wie sein jetziger Sitznachbar passt einfach nicht in das Bild. Gehört in ihren Augen nicht hierher.
Nachdem der junge Mann sich neben den Raucher gesetzt hat, folgt er zuerst dessen Blick und betrachtet für einige Momente die feinen Pinkel, die sich hier versammelt haben. Er schnaubt. Diese erbärmlichen Bonzen machen sich wirklich lächerlich mit ihrem Wahn nach Gut und Besitz, ihrem albernen Theater, dass sie sowohl auf als auch neben der Bühne aufführen. Nach einiger Zeit verliert der Kiffer jedoch das Interesse und wendet sich an seinen Nebenmann. "Geez, Boss, warum bis du immer so kurz angebunden?" fragt er gespielt gekränkt. "Wie wärs'n mal mit 'nem: 'Aloha Romeo, schön dich zu sehn'?" Er schickt dem Anzugträger einen schelmischen Blick, wird dann aber wieder ernst. "Mr. Cas schickt mich", beantwortet er die an ihn gerichtete Frage, "er meint, er hat irgenwas Neues entdeckt, irgend 'ne Reaktion, die er noch nich' kennt." Er macht eine kurze Pause, versucht anscheinend, sich an etwas zu erinnern. "Achja, und die Tucke hat angerufen. Er glaubt, dass ein ehemaliges Mädel von einem seiner Kollegen durch die Stadt rennt und Leute umlegt."
Von Mike kommt keine Antwort was die Frage des jungen Mannes angeht. An der Zigarette ziehend wartet der Dunkelhaarige auf mehr. Umsonst taucht der Kleine hier nicht auf. Egal wie er sich mal verhält. Einen Grund hat sein Kommen immer. Den Blick weiter auf seinen Kunden gerichtet hört er die Worte. Nickt leicht als Zeichen das er verstanden hat.
"Verstehe... Cas wird warten müssen bis das Theater zu Ende ist. Sag ihm, dass ich danach bei ihm vorbeischaue."
Kurz schweigt Mike, überlegt rauchend. Eine killende, ehemalige Hure kann sehr nervig sein. Vielleicht sogar sein Geschäft durcheinander bringen. Wenn es denn stimmt versteht sich.
"Unser Freund soll morgen Nachmittag um 16 Uhr am Pariser Platz sein. Sag ihm ich hab nur eine halbe Stunde, in der Zeit soll er sich erklären. Dann sehen wir weiter."
Ein wenig Asche die auf seinem Jackett gelandet ist wird weggepustet. Der Rest von der Zigarette abgeklopft. Erst dann zieht Mike noch mal an seiner Zigarette.
"Hast du alles für morgen vorbereitet?"
Romeos Augen weiten sich vor Schreck, als sein Chef ihm antwortet. "Moment ma' Mike", erwidert er nervös, "ich soll Cas sagen, dass er warten soll? Warten? Cas? Man, das wird ihm überhaupt nich' gefallen." Der junge Mann erschauert. Mikes Geschäftspartner mit dem ungewöhnlichen Namen ist einer der Leute, vor denen Romeo wirklich Angst hat. Der Kerl hat ihm schon die hässlichsten Sachen angedroht, und Romeo ist sich sicher, dass er kein Problem hätte, sie wahr zu machen. "Cas is' doch die Ungeduld in Person, und ich hab echt kein' Bock, dass er das an mir auslässt, Dude." Hektisch zieht er ein weiteres Mal an seinem Joint. Der süßliche Rauch verbreitet sich schnell in den Lungen des Mützenträgers, klettert hinauf in seinen Kopf und verbreitet dort zumindest ein wenig Ruhe. "Deim' schwuchteligen Freund sag ich natürlich Bescheid", fährt er fort, "16 Uhr Pariser Platz is' gebongt." Dann rückt er mit einem Blick zu seinem Auftraggeber die Schiebermütze zurecht. "Und für morgen hab ich alles erledigt. Es kann im Grunde los gehen, alles wartet nur auf dich."
Bei Romeos Worten dreht Mike langsam den Kopf und sieht den Jüngeren das erste Mal richtig an.
"Ich weiß das es ihm nicht gefallen wird, aber damit muss er leben. Wenn du es ihm nicht sagst rede ich mal mit Karlo. Der braucht für morgen Abend sicher noch wen zum Boxen."
Dabei funkeln die dunklen Augen fast schon amüsiert. Natürlich weiß er, dass Romeo kein Kämpfer ist. Doch gerade aus dem Grund sagt er es ja. Der Junge hat gar keine andere Wahl als Cas seine Botschaft auszurichten. Zumindest nicht wenn er das Kämpfen vermeiden will.
Nach einem Blick zu den Menschen steht Mike schließlich auf und drückt seine Zigarette aus.
"Gut. Wir sprechen uns dann morgen wieder."
Knapp nickt er Romeo zu. Das Theater geht weiter.
Beschwichtigend hebt der Bote die Hände. "Hey hey, chill out", kommt es von ihm, "ich mach's ja schon. Kein Grund, mich gleich zum Fresse poliern zu schicken." Er lässt die Arme wieder sinken und nimmt einen tiefen Zug an seiner Tüte. Wenn Romeo etwas hasst, dann ist es rohe Gewalt. Er kann einfach nicht kämpfen, und er will es auch nicht. In seinen Augen ist es die abwegigste Sache der Welt, dass sein Chef sich Nacht für Nacht freiwillig in den Ring stellt, um sich zu prügeln. "Bis morgen Boss", meint der junge Mann und erhebt sich von der Bank, "ich werd' mich um alls kümmern." Seinerseits wirft er den Joint auf den Boden und tritt ihn aus, dann verlässt er den Platz vor dem Theater.
Einen Augenblick sieht Mike ihm nach und verkneift sich mit Mühe ein Schmunzeln. Der Kleine hat zwar seine eigene Art, aber trotzdem tut er was gesagt wird.
Kaum ist Romeo verschwunden wendet auch Mike sich von der Bank ab und geht zu der Menge der Menschen zurück. Zusammen betreten sie das Theater um den Rest des Stücks zu sehen. dabei erledigt er noch etwas geschäftliches womit er sehr zufrieden ist. Ja. Manchmal ist so eine große Bühne genau das richtige um sein eigenes Stück auf sie zu bringen ohne das es bemerkt wird.
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